Die Stadt Waldbröl ist Mitglied des Aktionsbündnisses "Für die Würde unserer Städte". Das Aktionsbündnis hat nun mit der "Berliner Resolution" eine Erklärung veröffentlicht, deren Wortlaut im nachfolgenden wiedergegeben ist.
Berliner Resolution: Beschlussfassung durch die Berliner Kommunalkonferenz am 30.6.2017
„Die im Grundgesetz verankerte Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse muss auch in meiner Stadt die CHANCE ZUR ZUKUNFT sichern"
täglich stellen die deutschen Kommunen mit ihrer Leistungskraft sicher, dass zum Beispiel Kinder eine Schule besuchen können und der Weg dorthin sicher ist, dass Arbeitnehmer und Unternehmen gute Voraussetzungen für ihre wirtschaftliche Betätigung finden, dass die Versorgung mit Wasser und Energie und die Entsorgung von Müll und Abwasser funktionieren und dass Menschen in sozialen Problemlagen Hilfe bekommen. Der massive Zustrom von Flüchtlingen im Jahr 2015 hat die Fähigkeit der Kommunen und ihrer Bürger, sehr kurzfristig und umfänglich auf eine Problemlage reagieren zu können, deutlich unter Beweis gestellt. Auch der Aufbau Ost ist maßgeblich von den Kommunen vorangetrieben und in Zukunft „gegossen“ worden.
Mag auch nicht alles zu 100 % reibungslos und perfekt laufen, so ist das Gesamtergebnis im europäischen Vergleich beachtlich und das Konzept der kommunalen Selbstverwaltung überzeugend. Keine Zentralregierung wäre in der Lage, so lokal differenziert angepasste Lösungen für die Aufgaben zu finden und umzusetzen.
Zunehmend zeigen sich in den Kommunen aber Auszehrungserscheinungen und regionale Unterschiede. Einerseits ist die Konjunktur in guter Verfassung, sind die Beschäftigungszahlen auf Rekordniveau, und dank steigender Steuereinnahmen erzielen die Kommunen seit 2012 im Durchschnitt wieder Haushalsüberschüsse. Anderseits bestanden die seit dem 1970er Jahren aufgelaufenen Defizite der Kommunalhaushalte fort und führten zusammen mit den massiven Steuerausfällen zu Beginn des neuen Jahrtausend (große Steuerreform) zur andauernden Schwächung der kommunalen Leistungskraft. Aufgabenerfüllung konnte nur noch durch die fortgesetzte Aufnahme von Liquiditätskrediten aufrecht erhalten werden. Zudem mussten zunehmend Finanzmittel in die Sozial-haushalte umgeschichtet werden. Dies ging zu Lasten anderer Aufgaben, der Erhaltung der Bausubstanz und der Investitionen. Geschlossene Büchereien und Schwimmbäder sowie heruntergekommene Schulen und Straßen sprechen hier für sich.
Wer sich heute darüber wundert, dass Investitionsförderprogramme des Bundes oder der Länder von den Kommunen nicht sofort umgesetzt werden können, übersieht, dass ein über mindestens zwei Jahrzehnte heruntergefahrenes Investitionsvolumen sowohl in den Kommunen als auch in der Bauwirtschaft einen Kapazitätsabbau mit zusätzlichen Rückwirkungen auf die Nachwuchsausbildung zur Folge hatte. Hier befindet sich die Leistungskraft der Kommunen an Grenzen, die so schnell nicht überwunden werden können – und die auch nicht überwunden werden, wenn die Investitionsförderung nur ein temporäres Strohfeuer bleibt. Das gilt im Übrigen auch für die Investitionen von Bund und Ländern und betrifft vor allem deren Straßenbau. Hier zeigt sich, dass Geld zwar ei-ne notwendige Voraussetzung ist. Es braucht aber der Menschen, die damit die Zukunft gestalten können, und die wiederum brauchen Kontinuität. Kommune funktioniert nicht im Börsenmodus.
Die Kommunen stehen nicht alle gleichermaßen vor diesen Problemen. Es gibt wach-sende Unterschiede zwischen prosperierenden Kommunen und solchen, die sich in ei-nem lang anhaltenden strukturellen Wandel befinden. Viele Menschen und Regionen nehmen nicht an der Wohlstandsentwicklung teil. Neue moderne Stadtviertel und hippe Quartiere entstehen, aber alte Viertel verfallen und werden zu Problemorten. Für die ei-nen steigen die Möglichkeiten und Chancen, die anderen finden sich im tristen Teufels-kreis einer Transfergesellschaft, in der gerade Kinder und Jugendliche wenig Chancen haben, auszubrechen. Prosperierende Städte können sich entwickeln – obwohl auch in ihnen soziale Probleme bestehen. In jenen Städten, die einen intensiven Strukturwandel durchleben, zehren die Aufwendungen für soziale Leistungen das Geld für dringend be-nötigte Investitionen auf – obwohl sich auch in ihnen innovative Kerne entfalten. Darun-ter finden sich Städte, die sich über viele Jahre hoch verschulden mussten, um alle von ihnen geforderten Pflichtaufgaben zu erfüllen und die nun diese Schulden auch in 100 Jahren und mehr nicht abtragen können.
Um hier die Verwirklichung gleichwertiger Lebensverhältnisse zu gewährleisten und um die Chancen der Bürger für die Zukunft sicher zu stellen, benötigen die Kommunen mehr als eine temporäre finanzielle Flankierung. Zur Korrektur einer über zwanzig und mehr Jahre währenden fiskalischen Fehlentwicklung braucht es grundsätzlicher Änderungen an der Kommunalfinanzierung. Dabei geht es grundlegend um die aufgabenan-gemessene Finanzierung pflichtig übertragener Aufgaben.
Deshalb fordern die Oberbürgermeister, Bürgermeister, Landräte und Kämmerer der im Bündnis „Für die Würde unserer Städte“ zusammengeschlossenen Kommunen den Bund und ihre Bundesländer dazu auf, jetzt die Entschuldung der hochverschuldeten Städte in Deutschland in Angriff zu nehmen, die Kostenentlastungen bei bundes- und landesgesetzlich veranlassten Sozialausgaben fortzuführen und die Investitionskraft dauerhaft zu stärken. Damit das Gemeindefinanzproblem nachhaltig gelöst werden kann, ist die Umsetzung folgender fünf Reformelemente von zentraler Bedeutung:
- Der zeitnahe Einstieg in den Abbau der Liquiditätskredite ist für die nachhaltige Konsolidierung der Haushalte sozial und strukturell belasteter Kommunen unverzichtbar. Das noch niedrige Zinsniveau bietet die einmalige Chance, mit einer konzertierten Aktion von Bund, Ländern und betroffenen Kommunen ein Lösungspaket zu schnüren, mit dem die Liquiditätskredite in einer realistischen zeitlichen Perspektiven und mit niedrigen Zinsen „preiswert“ abgelöst werden können. Es wäre zudem ein starkes Signal an die Finanzmärkte. Völlig unrealistisch ist hingegen die Überlegung, dass gerade aufgabenbelastete Kommunen dauerhaft hinreichend hohe Überschüsse im laufenden Haushalt erzielen können, um die Tilgung allein zu erreichen.
- Die Nachhaltigkeit des Schuldenabbaus wird nur gelingen, wenn die laufenden Haushalte dauerhaft ausgeglichen werden können – und somit keine neuen Schulden aufgenommen werden. Hier ist die konsequente Fortsetzung der Kostenentlastungen durch den Bund, der die zentralen Sozialaufgaben gesetzlich prägt, unverzichtbar. Um das konträre Verhältnis von erfolgsorientiertem kommunalen Steuereinnahmensystem und mit sozialen Notlagen an- wachsenden Ausgabenintensitäten aufzulösen und damit die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse sicher zu stellen, sind instrumentell die weitere Entlastung bei den Kosten der Unterkunft sowie die Einführung eines nach sozialen Belastungskriterien zu verteilenden zusätzlichen An-teils am gemeindlichen Umsatzsteueranteil notwendig. Angesichts der Kostenbelastungen, nicht zuletzt durch die Flüchtlinge, können die Kommunen keine Steuersenkungen des Bundes gegenfinanzieren. Jenseits der Forderung eines Abbaus der „kalten Progression“ können wir keine weiteren Belastungen in den Kommunen stemmen.
- Die kommunalen Herausforderungen der Zukunft erfordern eine dauerhafte Erhöhung der kommunalen Investitionstätigkeit. Die Entlastung im Sozialbereich wie auch der unterstützte Schuldenabbau mit den dann sinkenden Zinsausgaben würde hier neue Spielräume für Investitionen ermöglichen. Dieses ist durch staatliche Investitionshilfen – insbesondere für finanzschwache Kommunen mit großem Nachholbedarf – zu verstetigen.
- Das Durchgriffsverbot, das dem Bund die direkte finanzielle Unterstützung verbietet, hat sich angesichts der „klebrigen Hände“ vieler Länder nicht bewährt. Angesichts der zahlreichen bundesgeprägten Aufgaben der Kommunen, ist die (Mit-) Finanzierungsmöglichkeit des Bundes bei bundesgesetzlich geprägten Aufgaben mit hoher Kommunalrelevanz zu stärken.
- All diese Maßnahmen sind durch eine an den Arbeitsmarktbedürfnissen ausgerichtete Qualifizierungsoffensive zur Integration arbeitswilliger Menschen zu flankieren. Diese Offensive ist demographie-, wachstums- und sozialpolitisch angezeigt und kann die Kommunen einnahmenseitig stärken (z. B. beim gemeindlichen Einkommensteueranteil) und ausgabenpolitisch entlasten (z. B. im Sozialbereich).
- Diese Forderungen sind nicht für sich allein stehende Einzelelemente. Sie stehen vielmehr in einem systemischen Zusammenhang, der in das grundgesetzlich definierte Leitbild der gleichwertigen Lebensverhältnisse und damit einer gemeinschaftlichen Solidarität eingebettet ist.
Um dieses Konzept in seiner fiskalischen Dimension weiter zu konkretisieren und damit das Gemeindefinanzsystem auf eine solide und nachhaltige Grundlage zu stellen, fordern die in Berlin versammelten Oberbürgermeisterinnen, Oberbürgermeister, Bürgermeisterinnen, Bürgermeister, Landräte, Kämmerinnen und Kämmerer des in acht Bundesländern aktiven parteiübergreifenden Aktionsbündnisses von 69 Mitgliedskommunen mit mehr als neun Millionen Einwohnern die Bildung einer Kommission zur Wiederherstellung und dauerhaften Sicherung der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse. Sie soll, besetzt mit Vertretern von Bund und Ländern unter Beteiligung der Bündnis- Kommunen und ihrer Spitzenverbände zeitnah- also im Dezember 2017/Januar 2018 – ergebnisoffen ihre Arbeit beginnen und möglichst in längstens einem Jahr dem Deutschen Bundestag und dem Deutschen Bundesrat konkrete Arbeitsergebnisse vorlegen. Zu den unverzichtbaren Arbeitsschwerpunkten der Kommission sollte der Abbau der Liquiditätskredite und die Soziallastenfinanzierung zählen. Das parteiübergreifende Aktionsbündnis fordert die zur Bundestagswahl antretenden demokratischen Parteien auf, ihre Bereitschaft zur Bildung dieser Kommission noch vor dem Wahltermin zu erklären und dies nach der Wahl in Koalitionsverträgen festzuschreiben.