Kaiserstraße

Der Bau der „Wiehlmünden-Rother Chaussee“ – von Wiehlmünden im Aggertal nach Roth bei Wissen an der Sieg – brachte dem verkehrsfernen Kreisort Waldbröl im Jahre 1850 die langersehnte Einbindung in das überregionale Straßennetz. Ab 1863 zweigte am westlichen Ausgang des Dorfes die Bröltalstraße (jetzt B 478) ab, welche die Verbindung zum Rheintal gewährleistete. Insgesamt erwies sich der Straßenbau als entscheidender Faktor für den Aufschwung Waldbröls im ausgehenden 19. Jahrhundert. Dort, wo die Chaussee den Ort durchquerte, hatten außer der schon 1808 gegründeten Adler-Apotheke nur wenige Häuser von einfachem Zuschnitt gestanden. Nun verdichtete sich die Bebauung zusehends. Den Auftakt machte, wohl noch vor Abschluss der Straßenarbeiten errichtet, das klassizistische Haus des Kaufmanns und Posthalters Steiniger an der Ecke zur späteren Nümbrechter Straße (Haus Robach, Kaiserstr. 38). Bis zur Jahrhundertwende bildete sich eine Haupt- und Einkaufsstraße heraus, die stellenweise kleinstädtische Züge annahm.

Die Errichtung der Landratswohnung (heute Bürgerhaus) und des Kreishauses im östlichen Weichbild des Ortes setzten der weiteren baulichen Expansion ein Ziel. Den symbolischen Abschluss der Wachstumsphase vor dem Ersten Weltkrieg stellte das 1913 erbaute Kaufhaus Reitmeister (Kaiserstr. 40) dar. Am 16. Oktober desselben Jahres besuchte der letzte deutsche Kaiser Wilhelm II. (Regentschaft 1888–1918) das Oberbergische Land. Auf der Fahrt von Gummersbach nach Wissen machte er in Waldbröl kurz Halt. Die kaiserliche Stippvisite war für die monarchietreue Bevölkerung der Region ein unvergessliches Ereignis. Die Waldbröler Hauptstraße wurde in Kaiser­straße umbenannt und erinnert seitdem an den hohen Besuch, ebenso wie die gleichnamigen Straßen in Gummersbach und Wipperfürth. Die Kaiser­straße kam ohne größere Schäden durch den Zweiten Weltkrieg. Auch in den 1950er Jahren änderte sich an ihrem äußeren Bild nur wenig. Erst die um das Jahr 1964 einsetzenden Abbrüche, parallel zum Ausbau der Straße als Ortsdurchfahrt der B 256, führten zu massiven Beeinträchtigungen.

Im Sommer 1968 sanken das alte Rathaus von 1847 und die anschließende Häuserzeile in Trümmer. Als noch einschneidender erwies sich 1972 der Abriss der 1885 erbauten Park-Villa des Arztes Carl Venn und des ehemaligen Hotels Heyderhoff. Nach dem Willen der Stadtväter sollte auf dem Gelände ein neues Stadtzentrum entstehen. Das Resultat war ein maßstabssprengender Wohn- und Geschäftskomplex, das 1977 vollendete Merkurhaus (2019/20 abgerissen). Einzelhandelsfunktion und Aufenthaltsqualität der Kaiserstraße litten unter dem stetig zunehmenden Durchgangsverkehr. Ihre Aufwertung ist ein Kernthema des 2013 vom Waldbröler Rat beschlossenen Inte­grierten Entwicklungs- und Handlungs-Konzeptes (IEHK). Durch eine ganze Reihe von Bau- und Umbaumaßnahmen, flankiert von einem innenstadtverträglichen Verkehrs­­konzept, soll die Kaiserstraße wieder den Charakter einer Einkaufs- und Flaniermeile erhalten.

Standort:
Kaiserstraße