Winterschule
Im beginnenden 19. Jahrhundert geriet die oberbergische Landwirtschaft, Haupterwerbsquelle der zumeist kleinbäuerlichen Bevölkerung, in eine tiefe Krise. Höhepunkte waren die Hungerjahre 1816/17 und 1846/47. Zu den denkbar ungünstigen Rahmenbedingungen zählten schlechte Bodenqualität, raues Klima, rückständige Anbautechniken und die aus der Realerbteilung resultierende Besitzzersplitterung.
Es waren vor allem die preußischen Landräte, die mit Reformbemühungen hervortraten. Der Waldbröler Landrat Oscar Danzier (1820–1879) förderte 1852, ein Jahr nach der Einrichtung des Waldbröler Viehmarktes, im benachbarten Denklingen die Entstehung einer der ersten Ackerbauschulen in Rheinpreußen. Sie sollte den Bauernsöhnen das theoretische Rüstzeug für eine verbesserte Bodenbewirtschaftung vermitteln. Das Schulprojekt scheiterte jedoch an der verbreiteten Skepsis gegenüber Neuerungen. Zudem konnte kaum eine Landwirtsfamilie auf die Arbeitskraft eines Kindes verzichten. 1874 schloss die Schule ihre Pforten. Erst nach einem Vierteljahrhundert griff man in Waldbröl die Idee wieder auf und richtete 1899 eine landwirtschaftliche Winterschule ein – zunächst an der oberen Hauptstraße, ab 1909 in einem Neubau nahe dem Bahnhof.
Das ortsbildprägende Bauwerk im bergischen Stil fand unter den Vertretern des Heimatschutzgedankens großen Anklang. Der Unterricht war auf das Winterhalbjahr, die erntefreie Zeit, beschränkt und erstreckte sich über zwei Semester. Seit 1937 bestand eine hauswirtschaftlich ausgerichtete Frauenabteilung mit gesonderten Räumlichkeiten.
Der in den Nachkriegsjahren einsetzende Strukturwandel war auch im Ober- bergischen mit einem jähen Bedeutungsverlust der Landwirtschaft verbunden; die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe ging stark zurück. Wegen sinkender Schülerzahlen wurde die Schule 1971 geschlossen. Heute dient das aufwendig renovierte Gebäude als barrierefreies Wohnheim für psychisch kranke Menschen.